Fahrradklima Test 2012

Ergebnisse des Fahrradklima Test 2012

Im Herbst 2012 hat der adfc den Fahrradklima Test 2012 durchgeführt. Dabei haben rund  80.000 Radfahrer in Deutschland bei der Bewertung des Radfahrerumfeldes in Ihrer Heimatstadt mitgemacht. Nun liegt die Auswertung vor. Wismar ist auch in diesem Jahr wieder in der Umfrage vertreten. Es sind 92 Fragebögen von den Radlern aus unserer Hansestadt ausgefüllt worden. Ich möchte das Ergebnis mit den Resultaten des Fahrradklima Test  2005 vergleichen. Im Jahr 2005 belegte Wismar in der Bewertung (Städte mit unter 100tsd Einwohnern) mit der Note 3,32 den 44. Platz von 92 teilnehmenden Städten. Im Jahr 2012 liegt die Hansestadt nach Einschätzung Ihrer Radfahrer auf Platz 63 mit der Note 3,46 bei 252 teilnehmenden Städten. Nach der erreichten Note über die gefragten Kategorien also relative Konstanz der Situation. In der Auswertung der Studie immer noch im neutralen Bereich, also die Stadt hat zur Verbesserung der relativ schlechten Situation für Ihre Radler nicht viel getan.

In Mecklenburg Vorpommern liegt Wismar auf dem 3. Platz von 9 teilnehmenden Städte. Wir sind gar nicht so schlecht! Belegen die Städte Rostock mit 3,64 den 5. Platz und die Landeshauptstadt Schwerin mit 4,02 den letzten Platz in unserem Bundesland. Da bleiben Bekenntnisse unserer Landespolitiker zur Radinfrastrukturentwicklung bereits vor deren Haustür leere Worthülsen.

Im Gesamtvergleich der Städte der Bundesrepublik Deutschland ist es schon erstaunlich mit welch schlechter Note eine Stadt an die Spitze gewählt wird. Siegerpose mit Mittelmaß, wem das reicht der hat nicht viel verstanden. Gewonnen hat sozusagen der nicht ganz so schlechte aus dem miesen Mittelfeld. Es gibt gesamtdeutsch viel zu tun, auch für den ADFC.

Die Ergebnisse für Wismar im Vergleich

Frage / Ergebnisse Test 2005 Test 2012
Spaß – Stress 1,85 2,41
Akzeptanz 3,05 3,34
Alle Bevölkerungsgruppen fahren Rad 2,39 2,52
Werbung für Radfahren 3,24 4,06
Zeitungsberichte 3,58
Sicherheitsgefühl 3,42 3,37
Konflikte mit Fußgängern 3,07 3,07
Konflikte mit KFZ 3,47 3,55
Hindernisse 3,50 3,49
Fahrraddiebstahl 3,92 3,59
Breite der Radwege 3,26 3,75
Oberfläche der Radwege 3,52
Abstellanlagen 3,37 3,47
Führung an Baustellen 4,40 4,28
Fahrradmitnahme im ÖV 4,66 4,78
Förderung in jüngster Zeit 3,38 3,53
Falschparker auf Radwegen 4,10 4,19 🙁
Reinigung der Radwege 4,07 3,93
 Winterdienst a. Radwegen 4,05
Ampelschaltung für Radfahrer 3,22 4,04 🙁
Erreichbarkeit Stadtzentrum 2,36 1,88 🙂
Zügiges Radfahren 2,78 2,01
geöffnete Einbahnstraßen 2,93 2,77
Wegweisung für Radfahrer 3,08 3,09
Führungen abseits von Hauptstraßen 3,11 nicht gefragt
Fahren im Mischverkehr 4,28 🙁
Fahren auf Radwegen u. -fahrstreifen 3,42
öffentliche Fahrräder 3,84
Gesamtergebnis 3,32 3,46

Vergleicht man die Details der Ergebnisse aus 2005 und 2012 sind tatsächlich kaum Veränderungen festzustellen. Insbesondere die bereits in 2005 benannten Probleme Führung an Baustellen, Fahrradmitnahme im öffentl. Nahverkehr, Falschparker auf Radwegen wurden durch die Bewertung der neuen Umfrage auf ihrem schlechten Niveau zementiert. Das ist auch nicht weiter verwunderlich:

So verfolgt das Ordnungsamt der Hansestadt Wismar das ordnungswidrige Parken auf Radwegen fast gar nicht. (z.B. Dauerparker auf dem Radweg hinter der Brücke Poeler Straße)

Der oder die verantwortliche Mitarbeiter(in) im Ordnungsamt kennt für die Baustellenführung für Radfahrer nur das sinnfreie Schild “Radfahrer Absteigen”, soweit man dabei überhaupt von Führung sprechen kann, da es sich um ein Zusatzschild handelt, welches nur in Verbindung mit einem anderen Verkehrszeichen eine Wirkung entfalten kann. In der StVO und der dazugehörigen Verwaltungsverordnung zur StVO (VwV-StVO) jedenfalls kommt dieses Schild nicht vor.

Vom Versuch mit einem Fahrrad in den Stadtbus einzusteigen sehen wir mal ganz ab, da ist die Note 4,78 noch geheuchelt.

Neu im Reigen der schlechten Benotung ist mit 4,19 die Regelung der Ampelschaltungen. Wird dem KFZ Verkehr eine grüne Welle angeboten und wartet der gemeine KFZ Führer maximal eine Ampelphase um links abbiegen zu können, so mutet man den Radfahrern dagegen durch die Radwegbenutzungspflicht bis zu drei Ampelphasen Wartezeit zu, um einmal regelgerecht links abzubiegen. Der Radfahrer hat auch keine Wahl im Verkehr mitzuschwimmen (so er sich das bei dem Gewaltpotential mancher KFZ Lenker zutraut). Radfahrer werden schlicht vor Ampelkreuzungen auf Radwege gezwungen, um anschließend entgegen allen Empfehlungen und Bekenntnissen per Bettelampel ausgebremst zu werden. Nun hier ist die Quittung!

Auf die Frage nach der Oberfläche der Radwege vergaben die Wismarer eine 3,52. Auf dem Zeugnis eines Schülers gäbe es wegen der Tendenz eine glatte 4. Radwege werden in der Hansestadt Wismar bis heute (2013) mit dem so beliebten Betonpflastersteinen (wenn möglich mit Phase und Fuge und Absenkung an jeder Einfahrt) gebaut und geplant. Offensichtlich denken die Planer immer noch: Radfahrer lieben ja hohe Rollwiederstände und starke Vibrationen während der Fahrt. Neueste Erkenntnisse und Empfehlungen erreichen das Straßenbauamt der Hansestadt scheinbar nicht. Liebe Straßenbauplaner wir wünschen uns glatte Oberflächen mit geringem Rollwiederstand, die denen der Fahrbahn gleichwertig sind. Wenn Ihr beim Bau Geld sparen möchtet, dann baut doch die Fahrbahn mit billigem Betonpflasterstein. Die Fahrbahn ist viel breiter und damit das Einspahrungspotential viel höher als auf den meist viel zu schmalen Radwegen. Ein gutes Beispiel zur Anschauung findet Ihr in 23974 Alt Farpen. Dort hat sich die Gemeinde aus Kostengründen für ein sehr schönes Betonpflaster entschieden. Mit Phase und schöner Fuge und allen Nebenerfolgen.

Über die Benotung der Pressearbeit in Bezug auf Radfahrer wird sich wirklich keiner über die 3,58 wundern. Ich berichtete gerade über die Qualität der Presseartikel in zwei Fällen. An diesem Wochenende (02.02.2013) war jäh der Heißhunger unseres Lokalredakteurs auf Bockwurst zwischen zwei Terminen so wichtig, das darüber berichtet werden musste. Der arme Mann, dem Verhungern nah, bedauernswert! Bei diesem niederen redaktionellen Niveau sollte kaum Jemand auf unabhängige Berichterstattung über ein so schweres Thema wie Radfahren hoffen.

Aus meiner diesjährigen Sicht und Erfahrung halte ich die Bewertung des Winterdienstes und der Reinigung der Radwege für ungerechtfertigt. Jedenfalls waren die Wege auf meiner Seite der Stadt (Redentin in Richtung Innenstadt) regelmäßig Schneefrei und gestreut. Eventuell ist es im Zentrum und anderen Stadtteilen ja anders. Am 1. Februar hat die Stadtreinigung den Splitt von den Radwegen gekehrt, obwohl der Winter noch nicht zu Ende ist. Das empfinde ich als vorbildlich. Eventuell war das in den Vorjahren nicht so? Für den bisherigen Winter jedenfalls gibt es von mit Pluspunkte und zur Note 4,05 keine weiteren Kommentar.

Erfreulich ist dass man mit dem Fahrrad das Stadtzentrum schnell (1,88) und unkompliziert erreichen kann. Das ist sicher auch ein Dank an die Stadt für die Öffnung der Fußgängerzonen mit “Radfahrer frei”.

Es bleibt viel Arbeit für die Hansestadt Wismar, um die Stadt freundlicher für Radfahrer zu gestalten. Und das ist nicht mit weiteren Radwegbenutzungspflichten um jeden Preis  getan. Radfahrer benötigen keine Bevorzugung oder Bevormundung, sie wollen mit ihren Fahrzeugen einfach gleich behandelt werden. Wo es gute Radwege gibt, werden sie auch ohne das blaue Schild benutzt (siehe Philosophenweg). Viel Arbeit auch für den adfc.

Die Ergebisse zum Test im Detail finden Sie hier: adfc-fahrradklimatest-2012—die-ergebnisse Weitere globale Auswertungen liefern die Suchmaschinen in den nächsten Tagen sicher.

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